IC2801, IC2811, IC2807 – es scheint, als bekäme der Ersatzzug für den entfallenen ICE533 jeden Morgen eine neue Nummer. Ob überhaupt "Ersatz gefahren" wird, wüssten sie selbst erst rund eine Stunde vor der geplanten Ankunftszeit, sagten Bahn-Mitarbeiter. Vorige Woche gab es zweimal keinen Ersatz, da mussten die Reisenden um 7.18 Uhr auf den Regionalexpress ausweichen oder um 8.09 Uhr den Intercity nehmen.
Die Ersatzzüge seien nicht ins Internet einpflegbar, sagten die Stimmen der Bahn, die ich am Schalter, in der "DB Lounge", am Gleis und am Servicepoint gefragt habe. Jedenfalls nicht vorab, wie meine Beobachtungen ergaben, denn im Nachhinein fanden sich im Internet doch Spuren. Twitterdienste wie AbfahrtBremen zeigen zwar Verspätungen für den Ersatzzug an, aber melden sich nicht bei regulärem Verlauf. Auch im Online-Abfahrtsplan der DB fand sich die Spur eines "IC2801", aber erst rückblickend am nächsten Tag. Ein DB-Mitarbeiter am Servicepoint sagte mir, seine Firma arbeite nicht mit Twitter zusammen. Wie die Twitterer an die Daten kämen, wüsste er nicht.
Der DB-Mitarbeiter war so freundlich, mir die Telefonnumer der Bremer "3-S-Zentrale" zu empfehlen, die nicht mit "01805" anfängt, mir als Besitzer einer Telefonflat also keine zusätzlichen Kosten verursacht. Durch einen Anruf dort kann ich morgens zuhause erfahren, ob ein Ersatzzug fährt, so wie heute.
Im Bremer Hauptbahnhof selbst wurde durchgesagt, dass sich der Ersatzzug wegen einer Weichenstörung bei Delmenhorst auf unbestimmte Zeit verspätet. Die murrenden Wartenden harrten noch etwa fünf Minuten bis zur nächsten Durchsage aus, in der verlautet wurde, dass der Ersatzzug rund 20 bis 25 Minuten später käme. Nun gingen die Fahrgäste vom Bahnsteig hinunter in den weniger zugigen Durchgang im Hauptbahnhof und stellten sich unten an die Treppe, um mögliche weitere Ansagen vom Gleis noch hören zu können. Die bisher angesagte Wartezeit war zu kurz, um sich irgendwo sitzend aufzuwärmen, und zu lang, um weiter bei minus zehn Grad am Gleis zu warten. Außerdem herrschte allgemeine Ungewissheit, ob sich die Verspätungsdauer in der vage gehaltenen Durchsage auf die geplante Ankunfts- (7.09 Uhr) oder Abfahrtszeit (7.14 Uhr) bezog.
Der Ersatzzug, der endlich an Gleis 1 hielt, bestand aus einem Sammelsurium aus Wagen, die normalerweise im Regionalverkehr eingesetzt werden, und Überbleibseln von Intercity-Zügen. Es gab also viele unkomfortable Plätze, die insbesondere für jene Menschen ungeeignet sind, die fehlenden Schlaf im Zug nachholen wollen. Wenigstens wurde geheizt.
Ich nahm Platz neben einer Frau, die ich schon oft im ICE533 sitzen sah. Wir kamen über die Unbill der vergangenen Tage ins Gespräch. Sie fahre seit zehn Jahren von Syke über Bremen zu ihrem Arbeitsplatz in Hannover, das habe sie so noch nicht erlebt. Vorige Woche musste sie zweimal auf den Regionalexpress ausweichen, der sogar noch ungemütlicher ist als der Ersatzzug und 20 Minuten länger braucht.
Sie zeigte mir das Fahrgastrechte-Formular der Bahn, mit dem Fahrgäste Verspätungen melden können, entfaltete es und beschwerte sich über dessen Umfang. Als der Fahrkartenkontrolleur kam, sprach die Frau ihn auf die Verspätung an und winkte mit dem Formular. Der Kontrolleur begegnete ihr in freundlichem Ton mit dem Hinweis, dass der Ersatzzug um 7.36 Uhr in Bremen abgefahren sei, 22 Minuten später als geplant. Also habe er nicht den für eine Verspätungsentschädigung geforderten Verzug von mindestens 60 Minuten. Die Frau meinte weiter, sie habe Anspruch auf eine Entschädigung, auch als ein zweiter Kontrolleur hinzu kam und ihr der Sachverhalt zum vierten Mal und diesmal im Duett dargelegt wurde.
Danach kapitulierte die Frau, winkte müde ab, ließ Schultern und Blick hängen und die Kontrolleure gehen. Etwa fünf Minuten später wandte sie sich an einen Mitreisenden, den sie anscheinend mit Vornamen kannte, um ihr Leid über die vermeintliche Ignoranz der Bahn zu schildern: "Normalerweise fahre ich um 7.14 Uhr los und komme eine Stunde später an. Heute bin ich aber erst um 8.35 in Hannover. Das ist mehr als eine Stunde!" Noch als sie das Wort "Stunde" sagte, war im Hintergrund ein Groschenfallen zu hören. Die Frau lehnte sich in ihren Sitz zurück, nahm das Formular und faltete es zusammen – ähnlich gekonnt wie eine Apothekerin, die einem Kunden die möglichen Nebenwirkungen eines Medikamentes schildert, einen Beipackzettel.
P.S.: Die Bahn hat sich in einer E-Mail für meinen Hinweis auf die widersprüchlichen Angaben über die künftigen Einsatzzeiten des ICE533 bedankt. Er sei dem zuständigen Fachbereich weitergeleitet worden. Außerdem versprach mit der Kundenservice, der ICE533 werde zur CeBIT Anfang März eingesetzt und in der Zeit wie immer zusätzlich in Hannover Messe/Laatzen halten. Der Fachbereich ist anscheinend noch nicht tätig geworden, die Suche nach "ICE533" in der Online-Zugsuche der DB ergibt immer noch ein Informationskuddelmuddel – zu einer Zeit, in der man als Pendler mehr als sonst jemals auf diese Suchfunktion angewiesen ist.
Dienstag, 26. Januar 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen